Tode bei Gießereiexplosion 

Wir von abekra sprechen diesen Angehörigen unser tiefes Mitgefühl aus und möchten an dieser Stelle unsere Hilfe wegen der zu stellenden Ansprüche gegenüber der zuständigen Berufsgenossenschaft anbieten. Insofern Hilfe gewünscht wird, können sich alle Betroffene sofort mit dem abekra-Verband oder mir unter Kontakt-Selbsthilfegruppe in Verbindung setzen.  



Zwei Tote: Gießerei bei Explosion völlig zerstört

Unglücksserie bei Gontermann und Peipers geht weiter 

(Westfalenpost vom 17.Januar 2003)

Siegen. Zwei Arbeiter sind gestern Morgen bei einer Verpuffung bei Gontermann & Peipers ums Leben gekommen. Eine Halle wurde völlig zerstört. Zwei Arbeiter wurden jedoch schwer verletzt.

Zwanzig Arbeiter mussten ärztlich versorgt werden. Die meisten hatten Prellungen, Schnittverletzungen oder Schocks. Viele erlitten durch den Knall Schäden am Gehör. Einer der beiden war Vorarbeiter am Strangguss. Er stand ein halbes Jahr vor der Rente.

Die Halle sieht derzeit aus wie nach einem Bombenangriff: Ein Kran hat sich durch die Wand nach außen gedreht, Träger sind verbogen oder zerrissen. Feuerwehrleute zerren Reste der Verkleidung von den Krantrümmern herunter und stoßen die Reste der Verglasung heraus. Rolltore sind nach außen gebogen, im Inneren der erst vor einem Jahr gebauten Halle ist alles zerstört.

Überall auf der gesperrten Marienborner Straße sind die Trümmer verteilt. Noch auf der Fassade von der Fa. Kabelschlepp auf der anderen Seite sind die Einschläge erkennbar. Glasbausteine sind nach innen gedrückt, eine Fensterfront ist großflächig beschädigt. Mitarbeiter bekommen einen Mordsschreck. Das Unternehmen hat in die Fenster mit Kunststofffolie überziehen lassen - eine weise Entscheidung: Sonst wären die Glassplitter durch die Produktionshalle geflogen.

Die Nachbarn in Richtung Osten sind entsetzt. Am Haus nebenan liegt ein mannshohes Eisenstück direkt vor der Tür, wo der Nachbar noch kurz vorher gestanden hatte. Andere Trümmer sind durch Bäume abgehalten worden. Das Haus hat in den letzten Jahren schon mehrere Explosionen aus der Nachbarschaft erlebt. “Aber so schlimm war es noch nie”, sagt eine Anwohnerin zornig und begann damit, Ihren Wintergarten auf Schäden zu untersuchen. 
   

Explosion zerfetzte Werkshalle

Ursache könnte Wasser im 1600 Grad heißen Schmelzgut sein/


Verletzte im Linienbus versorgt

(Von Raimund Hellwig)

Siegen. Katastrophe in der Werkshalle der Siegener Gießerei Gontermann und Peipers: Bei einer Stranggussanlage sind zwei Arbeiter, 60 und 36 Jahre alt, ums Leben gekommen.

Drei weitere Arbeiter erlitten schwere Verletzungen. Eines der Opfer, der 60-jährige Vorarbeiter an der Stranggussanlage, hätte in einem halben Jahr den Rentenbeginn gefeiert. Eine Polizeistreife, die nur hundert Meter entfernt eine Kontrollstelle eingerichtet hatte, war als erste am Unglücksort. Die Notärzte richteten eine provosorische Notfallstation in einem Linienbus ein, den die Feuerwehr kurzerhand beschlagnahmt hatte, Hier wurden zwölf weitere Arbeiter wegen Prellungen, Schnitten und Gehörschäden behandelt. 

Stahlplatte vor Haustür 

Die Explosion riss auf einer Länge von siebzig Metern die Glasscheibe aus dem Rahmen und sprengte die Scherben wie Geschosse in alle Richtungen. Die Fassade eines gegenüber liegenden Unternehmens und vier parkende Autos wurden durch herumfliegende Trümmerteile beschädigt. Ein Kran wurde durch die Stirnwand des Gebäudes gedrückt und ragte samt Laufrollen aus der Halle heraus. Die Druckwelle ließ eine schwere Stahlplatte direkt vor die Tür eines Nachbarhauses fliegen, wo kurz vorher noch Menschen gestanden hatten. Der Schaden an der Halle an der Halle und der Stranggussanlage geht in die Millionen. 

Verstörte Nachbarn 

Kripo, Staatsanwaltschaft, Staatliches Umweltamt und ein Sachverständiger haben gestern die Ermittlungen aufgenommen. Das Unternehmen gab noch keine Stellungnahme ab. Erst vor neun Monaten hatte es einen ähnlichen Vorfall gegeben, bei dem drei Arbeiter leicht verletzt wurden.

Das Amt für Arbeitsschutz erklärte gestern gegenüber unserer Zeitung, das Unternehmen sei bisher nicht durch Mängel in Sachen Arbeitsorganisation aufgefallen. Olaf Vetter, Abteilungsleiter Anlagensicherheit beim Staatlichen Umweltamt sagte, Gießereien seien “eigentlich keine typischen Betriebe, in denen so etwas passiert.” Es müsse geprüft werden, ob die Unfälle durch Bauart bedingte Probleme an der Anlage entstanden seien. Es gebe eine Reihe von Umständen, die die Explosion ausgelöst haben könnten, sagte auch Klaus Dreisbach, der Leiter des Siegener Amtes für Arbeitsschutz. Wasser im Schmelzgut sei eine mögliche Ursache. Wird das Wasser von dem 1600 Grad heißen Metall eingeschlossen, verdampft es schlagartig und versucht, sich explosionsartig auszudehnen. Diese Konstellation wird intern derzeit als die wahrscheinlichste Unglücksursache betrachtet. Als mögliche Ursache kommen aber auch falsche Zuschlagsstoffe in Betracht. 

“Gießereien sind eigentlich keine typischen Betriebe,

in denen so etwas passiert.” 

Olaf Vetter, Abteilungsleiter Anlagensicherheit beim Staatlichen Umweltamt

Die Katastrophe hätte noch viel schlimmere Ausmaße annehmen können. Kurz zuvor hatten noch Schulkinder die Hauptstraße passiert. Ganz in der Nähe ist eine Bushaltestelle. Wie durch ein Wunder hielt sich während der Explosion niemand in der Gefahrenzone auf der stark befahrenen Straße auf. 

Werk in Industriegebiet 

Die Nachbarn der Walzengießerei waren dennoch völlig verstört. Wenn die Halle wieder aufgebaut werden müsse, prophezeite einer, werde man sich geschlossen gegen die Baugenehmigung zur Wehr setzen. Die Chancen stehen jedoch nicht sehr gut. Das Werk liegt zwar mitten in der Stadt, aber planerisch in einem reinen Industriegebiet - und genießt Bestandsschutz. 


Druckwelle sprengte die Firmenhalle

Ermittler kommen nicht an Unglücksstelle:

Tonnenschwere Teile liegen auf der Anlage 


(Siegener Zeitung v. 18.Jan.2003)

mavo/kalle Siegen. Der Blick in die Gießerei der Firma Gontermann-Peipers, ein Bild der Verwüstung. Die Druckwelle nach der Verpuffung am Donnerstagmorgen hat die gesamte Fensterfront der Produktionshalle aus dem Rahmen gesprengt. Sie hat die Fassadenverkleidungen auf der Rückseite der Halle herausgerissen, schwere Eisenträger im Inneren der Halle umstürzen lassen. In den Trümmern kamen zwei Männer (36, 60) ums Leben, 15 wurden verletzt. Angehörige der Toten legten gestern Blumen vor einer der Eingangstüren zur Halle nieder, steckten eine Kerze an.

Bislang konnten die Ermittler noch nicht an den Ort der Produktionsanlage vordringen, an dem die Verpuffung ausgelöst wurde. Tonnenschwere Teile liegen auf der Stelle der Stranggussanlage, an der sonst das heiße Flüssigeisen aus der Ziehdüse kommt.

Gestern wurde ein Statiker beauftragt. Er soll jetzt prüfen, ob der noch intakte Kran in der Halle dafür benutzt werden kann, den Bereich freizulegen. Michael Schneider, Pressesprecher der Siegener Kreispolizeibehörde: “Die Ermittler wollen bei ihrer Arbeit auf Nummer sicher gehen.”

Die Experten des Amtes für Arbeitsschutz, der Polizei und ein weiterer Sachverständiger haben sich inzwischen aber auf eine Unglücksursache festgelegt. Schneider: “Es steht fest, dass die Verpuffung durch den Kontakt von Wasser mit flüssigem Eisen beim Produktionsprozess verursacht wurde.”

Klaus Dreisbach, der Chef des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz in Siegen, entkräftete gestern auf Anfrage der SZ Gerüchte, die von einem Sicherheitsrisiko im Unternehmen Gontermann-Peipers sprechen. Dreisbach: “Die Häufung der Unfälle ist ein unglücklicher Zufall.” Alle Anliegen des Unternehmens seien nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz zugelassen, dementsprechend auch kontrolliert. Alle Maschinen seien auf dem neuesten Stand der Technik. Klaus Dreisbach: “Das haben wir auch bei unseren Überprüfungen immer wieder festgestellt.” 


Gontermann-Peipers

Stötzel soll der SPD - Fragen beantworten


Fraktion bittet im Hauptausschuss um Informationen

(Siegener Zeitung vom 21.01.03)

sz. Siegen. Der tödliche Arbeitsunfall bei der Firma Gontermann-Peipers wird jetzt auch die Siegener Kommunalpolitik beschäftigen. Die SPD-Ratsfraktion hat eine entsprechende Anfrage an Bürgermeister Ulf Stötzel gestellt. Die sozialdemokraten wollen vom Stadtoberhaupt wissen, wie es innerhalb weniger Monate zu zwei schweren Verpuffungen kommen konnte. Eine weitere Frage der SPD: “Sind die Sicherheitsvorkehrungen für den Betrieb, der in direkter Nähe einer stark befahrenen Straße liegt, ausreichend?”

Auch auf folgenden Fragen wollen die SPD-Stadtverordneten Manfred Schneider und Manfred Müller in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses von Bürgermeister Ulf Stötzel eine Antwort: Ist das Staatliche Amt für Arbeitsschutz in die Ursachenermittlung eingebunden? Welche Ergebnisse liegen vor und welche Konsequenzen werden aus dem Unfall gezogen? Welche Maßnahmen können unternommen werden, das solche Unfälle vermieden werden und wie können die Anwohner vor weiteren Schadensereignissen dieser Art geschützt werden?

Die Anwohner in der Nähe des Firmengeländes seien sehr besorgt und verunsichert, da bei der schweren Verpuffung am vergangenen Donnerstag auch Privatgebäude beschädigt worden seien, begründen Schneider und Müller die Anfrage der Fraktion. 


Gespräch mit Anliegern führen

Statement des Bürgermeisters nach Betriebsunglück

(Siegener Zeitung vom 22.01.03)

sz.Siegen. Die schwere Verpuffung in der Stranggussanlage der Walzengießerei Gontermann-Peipers, bei der am vergangenen Donnerstag zwei Mitarbeiter ums Leben kamen, wird auch in den politischen Gremien der Stadt Siegen zur Sprache kommen. Zu einem Anfragepaket der SPD-Fraktion (siehe gestrige Ausgabe) wird Bürgermeister Ulf Stötzel in der Hauptausschuss-Sitzung am kommenden Mittwoch, 29. Januar, Stellung beziehen. Ein kurze schriftliches Statement versandte er bereits gestern Abend an die Presse.

Die Stadt Siegen, so der Bürgermeister, sehe sich zum einen in der Pflicht, alles zu tun, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Zum anderen gelte es aber auch den Erhalt der Arbeitsplätze bei Gontermann-Peipers zu sichern. Beim Standort Hain handele es sich um einen der letzten bestandsgeschützten Altstandorte für Industriebetriebe. Maßgeblich für den Betrieb der Stranggussanlage sei eine entsprechende Genehmigung der Bezierksregierung aus dem Jahre 1992 nach den einschlägigen Vorschriften des Immissionsschutzrechts. Stötzel: “Eine immissionsschutz- oder gewerberechtliche Zuständigkeit war und ist nicht gegeben.” Die entsprechenden Genehmigungszuständigkeiten lägen beim Staatlichen Umweltamt bzw. bei der Bezirksregierung - im vorliegenden Fall beim Arnsberger RP.

In Gesprächen mit der Geschäftsführung der Firma Gontermann-Peipers sei vereinbart worden, dass zunächst die Untersuchungen bezüglich der Unfallursache abgeschlossen werden sollen, an der zahlreiche Institutionen wie z.B. das Staatliche Umweltamt und das Staatliche Amt für Arbeitsschutz beteiligt seien. Bevor an der Unglücksstelle wieder die Produktion startet, wird das Unternehmen nach den Worten des Bürgermeisters gemeinsam mit der Stadt Siegen die Anlieger zu einem Gespräch einladen. 


Gontermann-Peipers

Gebäudeschutz nicht gefährdet

(Siegener-Zeitung v. 15. März 2003)

sz. Siegen. Nach der schweren Verpuffung im Werk Hain der Firma Gontermann-Peipers am 15.Januar ist dort die Produktion inzwischen wieder angelaufen. Die durch den Unfall betroffene Stranggussanlage ruhe jedoch weiterhin, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Siegen. Das Unternehmen beabsichtige die Stranggussanlage zu gegebener Zeit wieder in Betrieb zu setzen. Vor der Inbetriebnahme werde die seinerzeit zugesagte Anliegerinformation durch Firma und Kommune durchgeführt.

Weiter ist zu erfahren, dass der beschädigte Gebäudetrakt des Werkes Hain in seiner Substanz laut statischem Gutachten des beauftragten Prüfingenieurs nicht gefährdet sei. Die entstandenen Risse und Löcher sollen in den nächsten Wochen repariert werden. Ein Effekt dabei sei die Verringerung der momentanen Geräuschemmission. “Hierdurch werden insbesondere die unmittelbaren Nachbarn entlastet”, heißt es in der Mitteilung weiter. Die Ermittlungsbehörden - auch darüber hat die Geschäftsleitung den Bürgermeister informiert - haben ihre Untersuchungen noch nicht endgültig abgeschlossen.