Hornberger Schießen 

 


Das zuständige SG (Sozialgericht) Dortmund beorderte mich im Dezember 1994 zu Prof. Dr.Wörth und Dr. med. Kersten in Moers zur Begutachtung nach §; 106 SGG.
 
Obwohl ich die Herren Doktoren während des persönlichen anamnestischen Gesprächs auf den Widerspruch zwischen der Behauptung der BG einerseits und meinem o.g. beigebrachten Beweis andererseits aufmerksam gemacht habe, schlossen sie sich der Behauptung der BG an.
 
Sie schrieben in ihrem Gutachten, aus einem Befundbericht von Dr. Malchau vom 6. August 1990 gehe hervor, dass ich seit dem vierzehnten Lebensjahr, somit vor Beginn meiner Berufstätigkeit, an einem Infektasthma leide.
 
Diese Angabe beruhe aber nach Meinung meines Beauftragten, also meines Rechtsanwaltes, auf einem ausgesprochenen Missverständnis, denn ich sei in meiner Jugend nie ernstlich krank gewesen, insbesondere nicht in Gestalt eines Infektasthmas.
 
Die gleiche Angabe über eine schon im jugendlichen Alter aufgetretene belastungsunabhängige Luftnot mit Zeichen einer chronischen Bronchitis werde aber auch von Herrn Prof. Dr. Reichel in seinem Gutachten des Jahres 1991 gemacht.
 
Auch in dem Entlassungsbericht von Bad Salzuflen werde auf eine solche im fünfzehnten oder sechzehnten Lebensjahr aufgetretene Beschwerdesymptomatik hingewiesen.
 
Diese von verschiedenen Seiten gemachten Aussagen über das Vorliegen einer bronchitischen Symptomatik im jugendlichen Alter seien also derart eindeutig, dass sie nicht daran zweifeln könnten, dass bei mir frühzeitig ein entsprechendes Krankheitsbild vorgelegen habe.
 
Erfahrungsgemäß werde sie in ihren Anfängen häufig nicht als eigentliche Krankheit empfunden und erscheine dementsprechend zunächst nicht ohne weiteres als behandlungsbedürftig.
 
Des Weiteren meinten die Gutachter, bei mir eine zunehmende depressive Verstimmung bemerkt zu haben. Sie diagnostizierten ";eine chronische Belastungsreaktion vor dem Hintergrund eines Familienkonfliktes bei einem Patienten mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur".
 
Keiner der beiden Gutachter hatte eine neurologische, psychiatrische und/oder psychologische Ausbildung, die sie berechtigt hätte, eine solche Diagnose zu stellen.
 
Hierzu muss man wissen, das zu diesem Zeitpunkt in meinem Fall drei verschiedene sozialrechtliche Ermitllungsverfahren liefen:
 
1.) Anerkennung meiner Schwerbehinderung beim zuständigen Versorgungsamt nach dem Schwerbehinderungsrecht,
 
2) Ermittlungen der LVA wegen meines Antrags auf Berufsunfähigkeitsrente nach SGB VI und
 
3) das GUV-Ermittlungsverfahren vor dem Sozialgericht Dortmund nach dem SGG/ZPO in Verbindung mit dem SGB VII.
 
In allen diesen Verfahren wurden von allen untersuchenden/behandelnden Ärzten und Gutachtern, dem medizinischen Dienst der Krankenkassen von Kurärzten und Krankenhäusern die falschen Vorbefunde angefordert oder aber aus Arztbriefen bzw. Gutachten abgeschrieben.
 
Eine eigene Anamnese im persönlichen Gespräch mit mir zu erstellen, das befand keiner der beteiligten Ärzte mehr für notwendig.
 
Es stand ja alles in den Akten- und was in einer Akte steht, das ist für die absolute Mehrheit deutscher Mediziner unumstösslich richtig.
 
Ich allerdings wusste nicht, dass die beteiligten Mediziner und Behörden untereinander rege ihre Akten und Dokumente über mich austauschten.
 
Keiner hatte es für nötig befunden, den Sozialdatenschutz zu beachten, meine Zustimmung zur Offenbarung meiner Gesundheitsdaten Dritten gegenüber einzuholen oder mich wenigstens darüber zu informieren, wem sie meine Daten bereits offenbart hatten.
 
Das ist der eine wichtige Punkt an diesem Geschehen.
 
Der andere aber ist, dass sich jeder Arzt über ungehemmten Austausch
 
1) falscher Tatsachenbehauptungen,
 
2) medizinisch unhaltbarer Diagnosen und
 
3) psychiatrischer Zuordnungen von Medizinern, die eindeutig fachfremd waren und damit die Grenzen ihrer fachlichen Kompetenzen auf das Gröblichste missachtet hatte- und damit bei den Sozialbehörden auch noch hausieren ging.
 
Im Zuge dieser fröhlichen, ungehemmten Aktenübermittlung fiel auch keinem dieser Spezialisten auf, dass der Technische Aufsichtsdienst der BG es wiederum versäumte, in dem Beschäftigungsbetrieb an meinem einstigen Arbeitsplatz endlich mal Ermittlungen zur Schadstoff-Exposition und der Belastung mit atemwegssensibilisierenden und/oder auf die Atemwege giftig wirkenden Arbeitsstoffen bzw. Produktionsabfallstoffen, wie es Stäube sind, durchzuführen.
 
Und da sich in den Akten keine Beweise für die Atemwegsbelastung am Arbeitsplatz fanden - zwar unter inflagranter Verletzung der Amtsermittlungspflicht der BG nach §; 20 SGB X, aber wen interessierte das schon außer so einem kleinen Würstchen von betroffenem Versicherten wie mich - konnten alle anderen der Beteiligten ungehindert ihre Behauptung als ganz überwiegend wahrscheinlich vermarkten, der Ursprung meiner Atemwegserkrankung könne nur im privaten Bereich liegen, sei also schicksalhaft entstanden.
 
Zwar hatte abeKra 21, der mich mittlerweile angehörte, eine umfangreiche Expertise zu all den Gefahrstoffen, die an einem Arbeitsplatz wie dem meinen - je nach verwandtem Gießverfahren - in erheblichen Konzentrationen vorgekommen sein müssen, erarbeitet und deren Toxikologie, die dazu vorliegenden arbeitsmedizinischen Erkenntnisse und meinen dokumentierten Erkrankungsverlauf dargelegt, versehen mit einer umfangreichen Literaturliste - doch schien sie von niemanden der Beteiligten zur Kenntnis genommen zu werden.
 
Dachte ich jedenfalls.
 
Um nach diesem Gutachten der Dres. Wörth und Kersten kein negatives Urteil zu kassieren, weil ich glaubte, meine Beweise hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, also meiner realen, tatsächlichen Giftbelastung im Betrieb, seien immer noch dürftig, nahm ich schließlich auch diese Klage zurück.
 
Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht gegenwärtig, dass das Gericht selbst verpflichtet gewesen wäre, vor Ort, d.h. an meinem ehemaligen Arbeitsplatz zu ermitteln - und nicht nur die BG.
 
Tatsächlich hatte das Gericht nicht eine Andeutung gemacht, dass es Ermittlungsbedarf sehe oder solcherlei auch nur in Erwägung ziehe.
 
Auch mein damaliger Anwalt hatte keinerlei Anstalten gemacht, entsprechende Beweisanträge bei Gericht zu stellen oder sich sonst wie darum zu kümmern, dass die notwendigen sozialgerichtlichen Ermittlungen in Gang kamen.
 
Dass das SG vor all diesen anderen Ermittlungen zur haftungsbegründeten Kausalität ein medizinisches Gutachten in Auftrag gab, war reine Verschwendung von Geldern, die der Staat den Justizbehörden bekanntlich aus Steuermitteln zur Verfügung stellt.
 
Es ist klar, dass ohne vorherige Aufklärung der sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen ein Zusammenhangsgutachten immer nur negativ lauten kann.
 
Das aber hatte das SG Dortmund offensichtlich auch so beabsichtigt und gewollt - und war darin von meinen damaligen Rechtsanwalt mittelbar unterstützt, um nicht zu sagen: begünstigt worden.
 
 
21Anmerkung von Dr. Angela Vogel: Diese von mir erarbeitete, sehr umfangreiche Stellungnahme war gleichsam prototypisch aufbereitet. Sie fand später in anonymisierter Form z.B auch Eingang in Gewekschaftsschulungen von Metallarbeitern, die ich damals noch ab und an durchführte. Sie war ein Grundlagenbeispiel dafür, wie eine solche Stellungnahme aussehen kann, wie sie aufgebaut und welche sachlichen Ermittlungsergebnisse bzw. Beweisfragen sie sowohl zur haftungsbegründenden als auch haftungsausfüllenden Kausalität enthalten sollte. - Weil dieses Beispiel begann, Schule zu machen und die BGen, insbesondere die TAD, in nicht geringe Turbulenzen stürzte, empfahl einer der führenden Direktoren einer BG, die Begriffe "haftungsbegründende und haftungsausfüllenden Kausalität"; möglichst bald nicht mehr zu verwenden.
 
Tatsächlich wurde ab da von allen BGen nur noch der - ideologisch vernebelnde - Begriff der "arbeitstechnischen Voraussetzungen" gebraucht - anstelle des sozialhaftungsrechtlich exakten Begriffs der "haftungsbegründenden Kausalität".
 
Meine theoretischen Begriffsklarstellungen und ihre Verwendung als gut verständliche Gliederungsmerkmale und all meinen Expertisen und zahlreichen Veröffentlichungen wie z.B. "Reformbedarf in der Gesetzlichen Unfallversicherung" machte die Sache für die Versicherten (und die meisten ihrer Rechtsanwälte) zu übersichtlich,
 
was die BGen gar nicht mochten.
 
Deshalb der - so lächliche wie gehirnwäschenwirksame- Begriffsaustausch im Wege einer konzertierten BG- Aktion.

 

 

 

7/17                                                                                               Weiterlesen