Vorwärts im Trippelschritt



Kurz darauf kam der Ablehnungsbescheid.
 
Weil ich aber damals wie von ärztlicher Seite gefordert , meinen Arbeitsplatz aufgegeben hatte, genehmigt die BG meinen Antrag auf § 3 BeKV- Maßnahmen, also nach dem Präventionsparagraf in der Berufskrankheitsverordnung 23.
 
Ich erhielt längstens fünf Jahre lang so genannte Übergangsleistungen und eine Umschulung.
 
Gott sei Dank hatte mich Herr RA Rolf Battenstein und abeKra auf diesen § 3 BeKV aufmerksam gemacht und mir vermittelt, wie ich vorzugehen hatte.
 
Die BG selbst hatte kein Verfahren nach § 3 BeKV eingeleitet, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Im weiteren Fortgang verließ ich mich auf meinen Anwalt.

 
Mit großem Unbehagen schaute ich dem ersten Sozialgerichtstermin entgegen.
 
Kurz davor nahm ein ehemaliger Arbeitskollege Kontakt zu mir auf.
Selbst an den Atemwegen erkrankt, war er durch einen Artikel in der heimischen Presse auf mich aufmerksam geworden.

 
Ich war mittlerweile abeKra- Vertrauensmann und hatte in dieser Funktion Kontakt zur örtlichen Presse hergestellt uns sie an ihre Informationspflichten erinnert- zunächst mit Erfolg.
Besagter Kollege hatte auch sehr unter den Atembelastungen an unseren Arbeitsplätzen gelitten.
 
Aber er war kein Dreher, sondern Former und hatte bereits jahrzehntelang in der Giesserei im Schleuderguss und Walzenschleuderguss gearbeitet. So hatte er Kenntnis von der Zusammensetzung des Gussmaterials, vom Aufbau der Formen und von den entsprechenden Mischungen des Sandes. Er kannte auch die Gießzutaten für die unterschiedlichen Gussarten. Mehr noch, er hatte Sicherheitsdatenblätter gesammelt. Seit 1982 hätten uns Beschäftigten nach der TRGS 220 die Sicherheitsdatenblätter der Stoffe, die wir verarbeiteten, ausgehändigt werden müssen.
 
Ich als Dreher hätte die für mich Entscheidenden allerdings wahrscheinlich nicht bekommen, er als Former schon.
 
Es hätte also nichts genutzt, wenn ich damals gewusst hätte, was Sicherheitsdatenblätter sind und, dass ich ein Anrecht darauf habe, dass der Betrieb sie mir aushändigt.
 
Leider waren die Sicherheitsdatenblätter in sich nicht vollständig und es waren auch nicht alle vorhanden. 

Trotzdem- es war ein Glücksfall.


Diese Sicherheitsdatenblätter übergab ich im Jahr 2002 der zuständigen Richterin. 

 
Die war allerdings wenig erfreut und fragte mich in scharfem Ton, warum ich jetzt erst mit diesen Beweisen ankäme. 

Das konnte ich erklären......... 

und danach änderte sich das Verfahren. 

 
Die Richterin Stellte fest, dass der TAD seine Amtsermittlungspflichten nach § 20 SGB X verletzt und nicht objektiv ermittelt habe.
 

Die Beklagte, also die BG, musste nachermitteln- und jetzt alle im Betrieb einwirkenden Schadstoffe und die durch sie verursachbaren Erkrankungen nach der BK- Liste prüfen.

 
Es war ein Teilerfolg


Der ebenfalls erkrankte Kollege, der die Gerichtsverhandlung verfolgt hatte, schüttelte danach nur den Kopf und fragte mich, was denn hier für ein mieses Spiel gespielt werde.

Wir vereinbarten, zusammen zu arbeiten und gemeinsam zu überlegen, wie wir unsere Position verbessern könnten.
 
Bevor wir seine BK- Anzeige verfassten, forderten wir erst einmal alle ärztlichen Unterlagen sowie Röntgenbilder bei den zuständigen Ärzten, Fachärzten, Kliniken usw. an und erstellten eine übersichtliche Liste mit seinen Versicherungszeiten sowie den krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeitszeiten mit den jeweiligen Diagnosen, die der Krankenkasse gemeldet worden waren.
 
Sehr hilfreich war dabei das Buch von Angela Vogel, und ich dachte ich wäre versichert.


Es war Ende 1998 erschienen und enthielt im Ratgeberteil genaue Anweisungen, wie Versicherte in solchen GUV- Verfahren vorgehen sollten. 

 
Tatsächlich erleichterten all diese Nachweise, die wir erstellten, unsere weitere Arbeit enorm, weil immer wieder Fragebögen und Vordrucke auszufüllen waren. Was man nachgeprüft aufgelistet hat, stimmt und man verstrickt sich nicht plötzlich in Widersprüche, weil man ein Datum vergessen hat oder sich falsch erinnert.
 
Das kann in aufregenden Situationen besonders leicht passieren. Daran ist zu denken- besonders dann, wenn man Nervenschäden erlitten hat und man sich nichts mehr so richtig merken oder sich schlechter erinnern kann.
 
Nachdem wir diese Unterlagen in Händen hielten, verfassten wir für ihn eine sehr ausführliche BK- Anzeige.
 
Unsere Arbeitsplatzbeschreibung war achtunddreißig Seiten lang.
 
 
23 BeKV: Das war die Abkürzung der Berufskrankheitenverordnung vor der letzten Novellierung.

 

 

 

 

 

10/17                                                                                               Weiterlesen